WEIDEN/OPf. (hjh). In Deutschland gibt es nach Hochrechnungen 3,15 Millionen überschuldete Haushalte, was etwa 7,3 Millionen Personen entspricht.
Schulden machen krank – Krankheit macht Schulden … Unter diesem Motto stehen die Aktionswochen 2016 der Deutschen Schuldnerberatungsverbände. Zusammen mit allen Sozialverbänden (DPWV, Diakonie, Caritas u.a.) wird auf den wechselseitigen Wirkmechanismus verwiesen:
1. Krankheit ist ein wesentlicher Auslöser für eine Überschuldung. Etwa jede zehnte Überschuldung resultiert direkt aus einer Erkrankung. Nach einer Studie der Universität Mainz zufolge sind sogar acht von zehn überschuldeten Personen krank.
2. Überschuldete sind in ihrem Wohlbefinden und ihrem Gesundheitszustand beeinträchtigt. Als Reaktion auf die finanzielle Krise kommt es zu psychischen, physischen und psychosomatischen Leiden. Die finanzielle Notlage hat einen negativen Einfluss auf das individuelle Gesundheitsverhalten.
3. Überschuldete vernachlässigen – oft auch aus Kostengründen – angemessene Gesundheitsleistungen und Vorsorgeangebote.
Aus der täglichen Arbeit als Finanz- und Schuldnerberater des ARV kann der Autor berichten, dass gut die Hälfte aller Mandanten über Angstzustände, Depressionen oder Psychosen klagen. Frauen machen solche Leiden deutlich häufiger zu schaffen als Männern. Überschuldete Männer hingegen liegen bei Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen vorn: Jeder fünfte Mandant scheint davon betroffen zu sein. Es scheint als erwiesen: Schulden machen Angst und Angst macht krank. Die Krankheit wiederum lähmt die eigene Kraft zur Selbsthilfe.
All das führt dazu, dass Überschuldete die desolate Situation lieber in sich „hineinfressen“, als den erlösenden Schritt zu einer Beratungsstelle zu machen. Dies wird oft schon beim ersten Besprechungstermin deutlich, wenn man als Berater feststellen muss, dass das „Kind schon im Brunnen liegt“ und man keine Chance mehr hat, durch eine Konsolidierung des Haushaltsplans eine außergerichtliche Schuldenbereinigung zu ermöglichen.
Es kommt der negative Beigeschmack der Insolvenz hinzu, der viele daran hindert, den ersten wichtigen Schritt zu tun. Erst wenn sie merken, dass ein „Kopf in den Sand stecken“ nichts bringt, wird das Problem angegangen.
Zum anderen macht der Autor oft die Erfahrung, dass Mandanten erleichtert aufatmen, wenn die Beratung – auch wenn das Ganze in einer Insolvenz endet – erfolgreich abgeschlossen werden kann und das Damoklesschwert der Schuldenlast nicht mehr über ihnen schwebt.
Dann kann endlich auch die Genesung der Psyche positiv verlaufen.
(Hansjörg Herzner)
Der ARV Oberpfalz e. V. bietet kostenlose Schuldner- und Insolvenzberatung an folgenden Dienststellen an: Regensburg, Schwandorf, Weiden, Erbendorf, Tirschenreuth.
Kontakt zum Verfasser des Beitrages, Hansjörg Herzner: h.herzner@arv-oberpfalz.de
Herzner ist als ehemaliger Banker mit der Materie vertraut. Seit vielen Jahren ist er als erfahrener ehrenamtlicher Schuldnerberater beim Allgemeinen Rettungsverband Oberpfalz e. V. (ARV) an der Schuldnerberatungsstelle Weiden des Verbandes tätig. Außerdem engagiert sich Herzner in der Offenen Behindertenarbeit (OBA) des ARV im KV Weiden-Neustadt.