WEIDEN. Zum Thema Schuldnerberatung in der Oberpfalz erschien am 22.06.2017 nachfolgender Artikel von Gabriele Weiß in der Tageszeitung Der neue Tag (Quelle: Oberpfalznetz):
Ein Gericht in London hat den ehemaligen Tennisstar Boris Becker am Mittwoch für bankrott erklärt. Doch dieses Schicksal trifft nicht nur Promis – auch viele Normalbürger geraten in finanzielle Schieflagen, aus denen sie nur schwer wieder herausfinden.
Weiden/Amberg. Laut „Schuldneratlas 2016“ ist die Überschuldungsquote von Privatpersonen in Deutschland im vergangenen Jahr bereits zum dritten Mal in Folge angestiegen – und zwar deutlicher als erwartet. Dabei ist die Lage in Bayern und der Oberpfalz noch außerordentlich entspannt. Zwei Ausnahmen stechen im Bezirk jedoch hervor: In den kreisfreien Städten Amberg und noch extremer in Weiden sind vergleichsweise viele Haushalte von finanziellen Problemen betroffen.
Loch in der Kasse
Woran das liegt, kann Hansjörg Herzner, Schuldnerberater des Allgemeinen Rettungsverbandes (ARV) Oberpfalz in Weiden, nicht genau sagen. Dass in der Porzellan- und Glasindustrie viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind, sei schließlich schon einige Jahre her, und auch in anderen Regionen habe ein Strukturwandel stattgefunden. Von Herzners Klienten sind „mindestens zwei Drittel von Hartz IV betroffen“, berichtet der ehemalige Bankangestellte. Doch auch wer noch Arbeitslosengeld I beziehe, sei gefährdet. „Das reißt schon ein großes Loch in die Haushaltskasse“, sagt Herzner. Auch Thomas Rogenhofer, bisher zuständiger Schuldnerberater der Stadt Amberg, hat beobachtet, dass „das Klientel über die Jahre relativ konstant geblieben ist“.
Eine klare Tendenz, wie die Leute in die Schuldenfalle geraten, kann er nicht ausmachen. „Außer bei jungen Leuten, da sind es oft Handyschulden.“ ARV-Experte Herzner bestätigt dies: „Viele sind sehr leichtsinnig, schließen immer neue Verträge ab – und die Firmen machen mit, ohne zum Beispiel Schufa-Einträge zu prüfen.“ Oft säßen ihm in der Beratung junge Frauen gegenüber, „die haben von ihrem ehemaligen Partner nur noch ein Kind und viele Schulden behalten“. Nach Trennungen oder Scheidungen, sagt Herzner, passiere es oft, dass ein Partner einfach gar nichts mehr zahle. Dann müsse etwa die gemeinsame Immobilie verkauft oder versteigert werden, um sich von der drückenden Schuldenlast zu befreien.
Zwei bis vier Wochen warten Klienten in der Regel auf ein Erstberatungsgespräch beim ARV. „Dann machen wir eine Bestandsaufnahme“, sagt Herzner, der sich ehrenamtlich engagiert. Ziel sei zunächst eine außergerichtliche Lösung. Die Schuldner müssten sich beispielsweise zu monatlichen Ratenzahlungen verpflichten. Weder Arbeitgeber noch Vermieter bekämen etwas von der finanziellen Schieflage mit, und die Schulden seien auf dem aktuellen Stand eingefroren. Auch der Gläubiger könne mit mehr Geld rechnen.
„Ein Vergleich sollte immer bevorzugt werden“, sagt Herzner, schränkt jedoch ein: „Aber nicht, wenn es damit über die Jahre finanziell zu eng wird für den Schuldner.“ Scheitern sowohl die außergerichtliche wie eine gerichtliche Schuldenbereinigung, ist das Verbraucherinsolvenzverfahren häufig der letzte Ausweg für einen wirtschaftlichen Neuanfang.
„Wir empfehlen das auch Hartz-IV-Empfängern“, sagt ARV-Berater Herzner. Zum Teil sei es schon bei Zahlungen von 30 bis 40 Euro pro Monat möglich, dass nach fünf Jahren die Kosten des Verfahrens gedeckt seien. Die Privatinsolvenz habe den Vorteil, dass nur dann gezahlt werden müsse, wenn pfändbares Vermögen vorhanden ist. Allerdings habe das Verfahren einen negativen Schufa-Eintrag und den Eintrag ins allgemeine Schuldnerverzeichnis zur Folge. „Der Vermieter, der Arbeitgeber, jeder bekommt es mit“, sagt Herzner: „Oft haben die Leute dann auch Probleme, wenn sie einen neuen Arbeitsplatz oder eine Wohnung suchen.“
Schlechtes Timing
Der rechtzeitige Gang zur Schuldnerberatung könnte einiges an Ärger ersparen. „Die Leute kommen aber erst bei der Lohn- oder Kontopfändung, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht“, hat Herzner beobachtet. „Nur manchmal suchen uns Familien bereits dann auf, wenn sie mit einer neuen finanziellen Lage konfrontiert sind.“ Das seien dann die Fälle, wo oft noch ein Vergleich erfolgreich abzuwickeln sei.
Schuldnerberatungsstellen
Wer überschuldet ist, muss zunächst eine außergerichtliche Lösung versuchen. Kostenlos helfen vom Bezirk anerkannte Schuldnerberatungsstellen, die entweder bei den kreisfreien Städten und den Kreisen selbst angesiedelt oder an gemeinnützige Träger ausgelagert sind. Auch Privatpersonen können Schuldenberatung anbieten. Von Berufs wegen sind dies Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater. Die jeweiligen Amtsgerichte können aber auch weitere Personen zulassen. Die Kosten für die Beratung trägt der Schuldner jedoch selbst; dies sollte bereits im Erstgespräch klar gemacht werden. Die Verbraucherzentralen warnen vor unseriösen Angeboten. Statt dauerhafter Entschuldung seien dabei häufig nur horrende Gebühren für überflüssige und schlechte Leistungen gewährleistet. Vorsicht sei vor allem bei Beratung via Telefon, Internet oder Mail angebracht. *
So stand der Bericht in der Zeitung:
*) Wichtiger Hinweis:
FINGER WEG …
… von kostenpflichtigen Beratungsangeboten! Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen des ARV in Regensburg, Schwandorf, Weiden, Erbendorf und Tischenreuth beraten Privathaushalte kostenlos.
Der ARV ist eine gemeinnützige Organisation der Freien Wohlfahrtspflege und meint: Wer sich ohnehin in einer finanziellen Notlage befindet, soll in der Regel nicht zusätzlich finanziell belastet werden.
Sehr gut gemacht. Leider kann man in der Kurzfassung (Kästchen) leicht die Tatsache überlesen, dass die Kosten nicht!!! bei den anerkannten Schuldnerberatungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege anfallen. Insofern prima der Schlusshinweis „Finger weg“.